BBS-Produktion startet wieder +++ aktualisiert

Klaus Wohlfarth kauft die Reste und plant Produktion / Zukunft des Schiltacher Werks ist offen / Keine Gießerei mehr

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Eine neu gegründete Gesellschaft von Klaus Wohlfarth übernimmt wesentliche Vermögenswerte der BBS-Autotechnik und startet die Produktion von Felgen der Marke BBS. Das hat heute der Insolvenzverwalter Dirk Pehl mitgeteilt. Noch nicht klar ist, ob neben Herbolzheim auch der Standort Schiltach wieder reaktiviert wird, wie eine Nachfrage der NRWZ ergab.

Schiltach. BBS-Insolvenzverwalter Pehl hat am späten Vormittag erklärt: „Nachdem es aufgrund der Situation bei der BBS Autotechnik GmbH leider nicht möglich war, den Geschäftsbetrieb fortzuführen und ich gezwungen war, den Mitarbeitenden die Kündigung auszusprechen, ist der Verkauf der Vermögenswerte sowie die Anstellung ehemaliger BBS-Beschäftigter ein Lichtblick.“

Sein Sprecher Ingo Schorlemmer hat im Gespräch mit der NRWZ dazu ausgeführt, durch den Verkauf der Vermögenswerte fließe zusätzliches Geld in die Insolvenzmasse. „Davon profitiert die frühere Belegschaft, weil ein Drittel der Insolvenzmasse in den Sozialplan fließt.“

Wohlfarth glaubt an die Marke

Klaus Wohlfarth, der die BBS in die vierte Insolvenz geführt hatte, teilt mit: „BBS hat mich nie losgelassen. Ich glaube fest an das Potenzial der Marke. Das hat mich bewogen, das Gespräch mit Herrn Dr. Pehl zu suchen und mit ihm gemeinsam eine gute Lösung zu finden.“ Clever war Wohlfarth: Er hatte vor der Insolvenz die BBS-Markenrechte in eine andere Firma übertragen. Der BBS-Käufer Ilkem Sahin aus der Türkei konnte auch deshalb die Produktion nicht wieder aufnehmen.

Die Produktion von Felgen der Marke BBS ist in Herbolzheim wieder angelaufen, meldet der Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Pehl. Dieser und der Unternehmer Wohlfarth, Inhaber der Markenrechte von BBS, hätten sich „auf die Übernahme wichtiger Vermögensgüter aus der Insolvenzmasse der BBS Autotechnik“ geeinigt. Dazu zählten etwa Werkzeuge und Anlagen, Produktionsausstattung, Gebrauchsmuster oder noch vorhandene Warenbestände. Über den Kaufpreis habe man Stillschweigen vereinbart.

Werbetransparent am Hinterlehengerichter Werk. Archiv-Foto: him

Maschinen und Anlagen stehen noch in Schiltach

Noch unklar sei, ob Wohlfarth auch in Schiltach weiter produzieren werde, erläuterte Schorlemmer auf Nachfrage der NRWZ. „Klaus Wohlfarth muss schauen, wie er das organisiert.“ Die Maschinen und Anlagen befänden sich weiterhin im Schiltacher Werk. Mit der Entscheidung von Wohlfarth, die Produktion wieder aufzunehmen, sei auch die Aufgabe des 17-köpfigen Abwicklungsteams entfallen. „Auch das Abwicklungsteam ist nicht mehr für den Insolvenzverwalter tätig“, betont Schorlemmer.

„Die Wiederaufnahme der Produktion von Felgen der Marke BBS aus dem mittlerweile fünften Insolvenzverfahren eines BBS-Herstellers ist ein Erfolg, den Viele wahrscheinlich nicht mehr für möglich gehalten haben“, bilanziert der Insolvenzverwalter. Nachdem es aufgrund der Situation bei der BBS Autotechnik leider nicht möglich gewesen sei, den Geschäftsbetrieb fortzuführen und er gezwungen gewesen sei, den Mitarbeitenden die Kündigung auszusprechen, sei der Verkauf der Vermögenswerte ein Lichtblick. „Ich wünsche dem neuen Produktionsbetrieb einen erfolgreichen Start“, sagt BBS-Insolvenzverwalter Pehl.

Markenrechte nie hergegeben

Dass Wohlfarth an BBS Interesse hat, war auf verschiedenen Auto- und Tuningmessen zu erleben. Dort waren am Stand von KW auch BBS-Felgen zu finden, die aus Lagerbeständen in Herbolzheim stammten. Anfragen der NRWZ zu BBS und zum aktuellen Stand des Verfahrens hatte der Sprecher des Insolvenzverwalters sehr zögerlich oder gar nicht beantwortet. Das sei im Hinblick auf die laufenden Gespräche geschehen, wie er heute  bedauerte.

KW und BBS auf der AutoZum in Salzburg.

Dirk Pehl hatte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Oktober 2024 den meisten der insgesamt 240 Beschäftigten an den Standorten Schiltach und Herbolzheim die Kündigung aussprechen müssen. Schon im Oktober habe bei BBS kein regulärer Geschäftsbetrieb mehr stattgefunden. „Wir hatten weder Aufträge vorliegen, noch Geld auf dem Konto. Die Geschäftsführung hat sich weggeduckt“, erinnert sich Pehl. Gemeint ist die ISH von Ilkem Sahin, die BBS aus der Wohlfarth-Insolvenz gekauft hatte „Umso schöner ist es nun, dass wieder eine Produktion der Felgen stattfinden wird.“

„BBS ist mir ein Herzensanliegen“, sagt Klaus Wohlfarth laut Pressemitteilung. „Nachdem die geplante Übertragung der Markenrechte auf die damaligen Eigentümer der BBS Autotechnik nicht umgesetzt werden konnte und ich erfahren habe, wie schlecht es um den Geschäftsbetrieb stand, habe ich mich entschieden, noch einmal in die Produktion einzusteigen.“

Was wird aus Hinterlehengericht?

Offen allerdings ist bisher, ob auch am alten Standort in Hinterlehengericht wieder Felgen hergestellt werden und wenn, wie viele frühere BBSler dort einen neuen, alten Arbeitsplatz finden werden. Die Maschinen stehen noch da. Nun komme es auf Wohlfarths Pläne an, wie er die Produktion organisieren möchte, so Schorlemmer. (Eine Anfrage bei KW Automotive läuft. Die Antwort findet sich nun am Ende des Artikels.)

In der Pressemitteilung von Insolvenzverwalter Pehl wird Wohlfarth mit diesen Worten zitiert: „Mit dem Neustart der Produktion von BBS-Felgen schließen wir mit dem jüngsten Kapitel in der Geschichte von BBS ab und starten eine neue Reise, auf die ich mich sehr freue.“

KW Automotive: Keine Alu-Gießerei mehr

Am Nachmittag hat sich das KW automotive direkt mit einer Pressemitteilung gemeldet. Darin betont Wohlfarth man habe „in äußerst schlanken Strukturen vorbereitende Maßnahmen für den Neustart in einer eigens gegründeten Radmanufaktur in Herbolzheim“ umgesetzt. Dort sollen die Logistik und die Lackiererei wieder angesiedelt werden.

BBS Werk in Herbolzheim. Foto: kw

Der gesamte Fokus werde auf dem „Aftermarket“, also dem Verkauf an die Endverbraucher, liegen. „Eine Wiederaufnahme der Produktion nach dem Muster der insolventen BBS Strukturen ist nicht geplant“, betont Wohlfarth in der Mitteilung. Das bedeutet eher das Ende für Schiltach, denn hier befand sich die Gießerei. KW automotive begründet dies so: „Eine Gießerei von Aluminiumfelgen an Standorten in Deutschland ist schon seit Jahren nicht wettbewerbsfähig, gestiegene Energiepreise haben die Standortnachteile weiter massiv erhöht.“

Manufakturgedanken

Andererseits heißt es in der Mitteilung, mit den „erworbenen Assets in Schiltach“ ergäben sich „neue Möglichkeiten zukünftig die Fertigungstiefe und damit den Manufakturgedanken weiterzuentwickeln.“ Dieser Kauf aller Anlagen-Assets mache es auch möglich, „ein bereits seit Ende 2023 vorliegendes Konzept für eine weitgehend automatisierte und digitalisierte Produktionslinie neu aufzunehmen“.




Martin Himmelheber (him)

... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.



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